Oscar Linke                           Prometheus

 

Noch steh’ ich an die Meereswand geschmiedet,

Starb Zeus auch längst und seiner Blitze Strahl;

nicht hat der neue Gott sich meiner Qual

Erbarmt, wie zeus von Selbstsucht nur umfriedet!

 

Nenn’ ich’s noch Qual, wenn heiß das Herz mir siedet,

Drin täglich hält der Geier noch sein Mahl? –

Gestürmt wird auch der neue Gottessaal,

Verlassen, wie ihr von den alten schiedet!

 

Ihr Götter! Ich nur bleibe trotz der Leiden,

Ihr wähnt, noch hab’ ich nicht genug gebüßet?

Ho! die Gewohnheit hat mein Leid versüßet!

 

Wer von uns beiden ist wohl zu beneiden? –

Doch will ich noch die Hoffnungsblume tragen,

Daß einst ein mild’rer wird mein Joch zerschlagen!“

 

 

 

 

Oscar Linke                           Die Schönheit

 

Wär’ ich ein Maler, wollt’ ich zaudernd malen

Dich, selt’ne Wunderblume, Schönheitsblüte;

Und all den Reiz, der dir, o Weib, entsprühte,

Die Farben schöner sollten wiederstrahlen.

 

Wär’ ich Bildhauer, aus dem Stein, dem kahlen,

Karrara’s dich zu locken ich mich mühte,

Daß schöner noch dein Reiz im Stein erglühte –

Ach unbeschwingte Wünsche, lahmes Prahlen!

 

Denn nicht Bildhauer, noch ein Maler bin ich,

Nur ein zu Fuße wandelnder Poet,

Der sich auf’s Wort nur, Duft und Hauch, versteht.

 

Und wenn ich einfach sage, still und sinnig:

Du bist so schön, daß neidisch wird die Rose,

Dankst du mir solch ein schmeichelhaft Gekose?

 

 

 

Oscar Linke                           Appassionata

 

Gewiß, der Glaube ist für mich verstaubt.

Von Göttlichkeit und andern Wunderdingen,

Die, denk’ ich nach, um den Verstand mich bringen,

Hab’ ich mich zu befreien mir erlaubt.

 

Doch glauben Sie – bei Ihrem Lockenhaupt,

bei allen Freuden, die uns Schmerzen bringen,

Bei all dem schmerzdurchwühlten Menschenringen –

Ich habe mehr als mancher Christ geglaubt!

 

Zwei Räthsel kenn’ ich: Liebe wie Musik;

Sie durften nur dem Herzen angehören,

Nie sah dies Traumreich des Verstandes Blick!

 

Wie gern mein Geist sich hier beschränkt erkannte,

Er mocht’ auch nie die fromme Seele stören –

O spielen Sie noch einmal das Andante!

 

 

 

Oscar Linke                           Maria

 

Es bleibt das Weib des Lebens Edelstein,

Ist Schwachheit auch des Leibes Rosenschrift,

Kam jeder Blick, der dich unsagbar trifft,

Auch nur aus eines klein’ren Hirnes Schrein.

 

Und wenn auch schwach der Leib, die Stirne klein,

Ward darum eine kleinere Mitgift

Dem Weib vom Schicksal? Lies des Lebens Schrift,

Streich’ aus den Namen Weib: weiß wird sie sein!

 

Welch Weltgeheimniß hier den Blick  umhüllt!

Und doch welch Thor wird mürrisch grübelnd fragen,

Wenn ihn zu einem Weibe Lieb’ erfüllt?

 

Ihr seid, o Frauenblumen, die ihr blüht

Wie Rosen, die ein hold Geheimniß tragen,

Die Gottheit dem poetischen Gemüth!

 

 

 

Oscar Linke                           Nachtgedanken

 

Oft wohl in schweigsam heller Nacht durchschauert

Der kühle Sturm mich der Vergänglichkeit;

Mein Geist dem Schattenwesen Odem leiht,

Das unsichtbar noch in der Ferne lauert.

 

O Tod, der ewig fern im Dunkel kauert,

So lange lebst du noch als lebt die Zeit,

Graunvolles wesen voll erhabenheit,

Hast du jemals gelächelt, je getrauert? –

 

Nachtträume! Mit dem Monde sie versprühen.

Am Tage klingt das alte Hoffnungslied:

O sieh die Blumen jeden Lenz erblühen.

 

Und wenn auch diese mit dem Lenze flieht

Und eine and’re siehst im nächsten glühen;

Die Blume bleibt, solang der Lenz sie sieht!

 

 

 

 

 

 

Oscar Linke                           Hen kai pan

 

Sie nannten mich den stolzen, kalten Heiden,

Sie, die sich nicht aus Geistesdämmerungen

Zu des Gedankens Sonnenhöh’ geschwungen,

Die nie gewußt von Zweifeln und von Leiden!

 

Mag mich die glaubensdumpfe Sippe meiden! –

Dir, dunkel Schicksal, ist mein Lied erklungen,

Du hast allein den wilden Geist bezwungen,

Dir beugt der trotzige sich sanft bescheiden.

 

Die Juden mögen dich Jehova nennen,

Die Griechen mochten Zeus aus dir sich machen,

Die Indier dich als Brama tief erkennen;

 

Die frommen Christen mögest Du bewachen

Als Vater, Sohn und Geist, die nicht zu trennen: -

Du bleibst dir gleich in allen Menschensprachen!

 

 

 

Oscar Linke                            Im Walde

                                                               An Rudolf Crisolli

 

Nacht war’s. Des Mondes weiße Schimmer woben

Sich um die grauen Häupter hoher Nüstern;

Bald im Halbschatten ging ich, bald im Düstern –

Ja, Freund, man soll die Schauernacht nicht loben!

 

Hat dort sich nicht im tiefsten Schwarz erhoben

Hohnsummend laut und lauter heis’res Flüstern?

Schon seh’ ich Flammen aus der Rosse Nüstern,

Da, horch ... wie still. – Der wache Traum zerstoben!

 

„Freisinnig“ nennen mich die dummen Leute.

Den haß’ ich, der recht stolz auf diesen Namen

Sich wie ein Hund meist nur des Lebens freute!

 

O glaube mir: Sie alle, die entstammen

Dem Mutterschoße, sind die leichte Beute

Des Graun’s, weil fremd sie auf die Erde kamen

 

 

 

Oscar Linke                           Ein Wunder

 

„Das ist ein Wunder!“ – Welch ein Zauberspruch

Für alle Kinder und für alle Frommen;

Auch unsern Heiden bleib’ er unbenommen,

Nur jenen Dummen nicht, die allzu klug!

 

Wir haben Wunder mit so manchem Buch

Voll Gift und voller Heilung überkommen;

Sie alle sind in’s Träumereich verschwommen,

Sie alle sind nicht wundersam genug.

 

Dies dünket mir das größte großer Wunder:

Die Sprache mit nur vierundzwanzig Lettern –

Bei Licht besehn, welch armer Geistesplunder!

 

Doch wenn wir in dem Riesenbuche blättern,

Geschichte, finden wir die That in runder

Gesammtzahl: Sie erbauen und zerschmettern!

 

 

 

Oscar Linke                           Im Thiergarten

                                                               zu Berlin

 

Gern wandl’ ich, wenn es dämmert, hier im Hain,

Deß Wipfel Streifen Sonnengolds umkrönen;

Mag ihn der Schüler Bädekers verhöhnen,

Mir soll er theu’rer als die anders sein.

 

Hier singt der Wald dieselben Melodei’n,

Die in gerühmten Fernen hold ertönen,

Hier Blumen auch das frische Gras verschönen,

Aus Dunkel blickt der Büsten weißer Stein.

 

Ist auch der Meister dort von Stein, Apoll,

Durch Staub und Sturm ein wenig schon ergraut,

Weiß ich auch nicht mehr, ob in Dur, ob Moll

 

Ertönte seiner Sandsteinharfe Laut –

was kümmert’s mich? Doch hör’ ich noch, wie voll

Und schmelzend weich dein Lied klingt, Rosenbraut!

 

 

 

Oscar Linke                           Nach dem Gewitter

 

Des Himmels Stirn entwölkt sich.  Klare Bläue

Verscheucht der Wolken blasses Grau. Die Flur,

Sie athmet wieder auf, als ob Natur

Auch wie das Menschenherz des Lichts sich freue.

 

Die Heerde, schüchtern harrend, wagt auf’s neue,

Zu suchen frischer Gräser duft’ge Spur;

Auch naht der Hirt sich. O wo blieb er nur?

Er barg sich in der Nähe tief im Heue.

 

Die Heerde wandelt, und die Glöckchen klingen,

Indeß der Hirt grauwoll’ne Strümpfe strickt

Und heimlich einen Blick zum Himmel schickt.

 

Und trillernd wieder sich die Lerchen schwingen

Zum Aeher, und das alte Jubellied

Des frohen Lebens auf zur Sonne zieht.

 

 

 

Oscar Linke                           An mein Herz

 

Was soll, o Herz, dein pochend wildes Schlagen?

Ach, daß ich trage dich noch unter’m Kleide,

Ein feurig schwert in einer rost’gen Scheide! –

Ich mußt’ es oft, ach oft, sehr oft beklagen!

 

Wann wirst du je der Hoffnung dich entschlagen,

Die wie der Stern auf eine trübe Haide

Hinabblickt, ewig fern? O schwelg’ im Leide,

Das Alter predigt: Schön sei das Entsagen!

 

„Noch ist’s so jung!“ – spricht des Verstandes Zunge,

Wenn das wir Jugend, Götterjugend nennen,

Wo Löwenkraft sich eint mit Adlerschwunge.

 

Doch ewig auf und ab im Käfig rennen,

Nie heben dürfen sich zum Riesensprunge –

Da mußt du, Herz, langsam und still verbrennen!

 

 

 

Oscar Linke                           Das Meer

 

Im Sommer möcht’ ich wohnen an dem Meer,

Einsaugen seine kühle Freiheitsluft –

Hier lullt mich ein des Tabak’s Opiumduft,

Er macht mein Herz zu sorglos, hoffnungsleer.

 

Versteh’ ich denn schon Alles ringsumher?

Versteh’ ich was die Schwalbe flüchtig ruft?

Versteh’ ih, was der Berge Höh’n und Schluft

Durchsaust? Kein Räthsel ist zu suchen mehr?

 

O schöne Fragen, die ich hier verlerne,

Euch wollt’ ich lösen, wenn, wenn ich an dem Strand

Des Meeres wandle, sinnend, einsam, ferne!

 

Auf’s Höchste wieder meinen Blick gewandt,

in weicher Mondennacht, beim Glanz der Sterne,

Säh’ ich im Traum manch’ unbekanntes Land ...

 

 

 

Oscar Linke                           Grenzsteine

 

Entflohn der grauen Wüste der Gedanken,

Wo „bleich“ der Mond, die Luft ist trocken heiß,

Und wo die Stirn erfrischt kein Myrthenreis,

Und keiner frischen Quelle lachend Schwanken:

 

Seh’ ich nun wieder Blumen mich umranken;

Gesichter, rosigroth und Lilienweiß,

Erblick’ ich wieder, und ich singe Preis

Dem neuen Leben und den alten Schranken.

 

Mit den modernen Philosophenfragen

Verlor ich ein’ge meiner Lebenslenze,

Einspinnend mich in düst’re Winterklagen.

 

Die großen Kinder tragen Narrenkränze;

Will nicht moderne Denkerkäppchen tragen,

Ich lebe froh und kenne meine Grenze.

 

 

 

Oscar Linke                           Die Menge

 

Glückselig heißen jene blinden Thoren,

Die selten nur besucht sind von Gedanken,

Die manchen wachen unheilsvoll umranken,

Hohnsäuselnd ihm: Zu früh – zu spät geboren!

 

Dem Schwarme geht ein Sonnentag verloren,

Kein Sturm des Hoffens neigt ihn je zum Schwanken;

Und will ihm einmal gar die Seele kranken:

Zum Schutzgeist hat er froh den Leib erkoren!

 

Euch könnte wohl der Weisere beneiden,

Denn ihr erfüllet auch des Lebens Sendung,

Das er umsonst des Schleiers will entkleiden.

 

Doch, Menge, mit hoffärtiger Verblendung

Belächle nie der wen’gen Großen Leiden:

Bist Mörtel nur nach ihres Bau’s Vollendung!

 

 

 

Oscar Linke                           Dunkle Stunden

                                                               An R. C.

 

“Was lohnt es sich, dies Leben auszuleben,

Wo Lust und Leid sind hohle Seifenschäume,

Drauf ewig schillern bunte Hoffnungsträume,

Die wie ein kurzer Blitz so schnell entschweben?

 

Wofür, o Mensch, ist all dein rastlos Streben?

Betrachte jene mürr’schen Fichtenbäume:

Ob sie dir einst für hohe Weltenräume

Wohl noch ein dumpf verschloß’nes Häuschen geben?“

 

So fragt das Herz in seinen dunkeln Stunden,

Wenn ihm ein Hoffnungsblüthchen welkte wieder,

Wenn es sich wieder einmal selbst gefunden. –

 

O Freund, der hohe Himmel drückt uns nieder:

Wenn erst der letzte Himmelsstern entschwunden,

Dann jauchzen wonneselig alle Lieder!

 

 

 

 

Oscar Linke                           Der Dichter

 

Ja zittern vor dem Sohne der Kamönen

Mag mancher Herrscher und ihn feig verachten,

Weil seine Lieder, die oft mehr als Schlachten,

Dem Gott der Freiheit und der Zukunft tönen.

 

Nie wird der Dichter eitlen Götzen frönen.

Den Schatz, den seine Väter ihm vermachten,

Bewacht er, wie die Väter ihn bewachten,

Und seine Hoffnung werden Siege krönen.

 

Ihr Herrscher, lächelt nicht des Sohn’s der Musen,

Auch er kann lächeln, daß ihr bleich hinsinkt,

Getroffen wie vom Blicke der Medusen!

 

Kennt ihr das eine Lied, das ewig klingt?

Tyrannen saugt’s das Blut aus gleich Empusen,

Dem Dichter folgt, der euch den Loorbeer schlingt!

 

 

 

Oscar Linke                           Der Stier

 

Sieh wie der Stier in üppig starkem Muth

Die grüne, klare Ebene durchjagt,

Der Boden zittert, kaum zu athmen wagt –

Und sieh wie jetzt er majestätsvoll ruht.

 

Langsamer strömt in ihm das rothe Blut;

Wie er die Hälmchen spielend nur benagt,

Dann jauchzend brüllt, als ob sein Brüllen sagt:

Zu ruhn der Fluren Herrscher jetzt geruht! –

 

Oft träumt ein Dichter von dem Flügelroß,

Mit dem er auf zum blauen Himmel fliegt;

Doch seit der Himmel uns in Nichts zerfloß,

 

Seit uns und unsern Traum die Erde wiegt:

Da zieh’ ich vor dich, stampfender Genoß,

Der voller Kraft und Ruh’ im Grase liegt.

 

 

 

Oscar Linke                           Gedankenbauten

 

Philosophie! An deinem Pallas bauen

Nun schon Jahrtausende voll „heißer Mühn;“

Dem Kölner Dom gleich seh’ ich dich erblühn,

Darf ich, darf einer die Vollendung schauen?

 

Vor dem Gedanken fühlt’ ich oftmals Grauen.

Mocht’ auch der Denker hohe Stirn erglühn,

Erhabene Gedanken ihr entsprühn,

Der Schlußstein ruht noch in den – Himmelsauen!

 

Platon, der Stagerit, Spinoza, Kant:

Vier Namen: Eine Welt in einer Hand!

Und keiner die Erlösungsformel fand? –

 

Verzweifelnd knirschte nicht, o Menschengeist!

Langfrau, gemach der Adler höher kreist,

Und einen, einen Pfad er doch nur weis’t!

 

 

 

Oscar Linke                           Practische Philosophie

 

Auf eines dunklen Schicksals Walten bauen,

Begnügen sich mit froh und schlechten Tagen

Und täglich lernen, etwas zu entsagen,

Sich lenken lassen von den schönen Frauen;

 

Eins mit sich selber sein und sich vertrauen,

Für herrliche Gedanken, die wir tragen

Im Busen, Leib und Seele muthig wagen,

Dem Tode lächelnd in das Antlitz schauen:

 

Glückselig, wer durchlebet so ein Leben,

Er hinterläßt der besten Schatz den Erben;

Den Zukunftssöhnen: Ewig heit’res Streben!

 

Mag jeder sich den goldnen Spruch erwerben:

Wir haben Zeit, um thatenreich zu leben,

Wir haben lange Zeit, bevor wir sterben!

 

 

Oscar Linke                           Dein blaues Auge ...

 

Dein blaues Auge blickt so rein;

So unschuldsvoll die Rosenwangen,

Noch wendet sie kein Gluthverlangen,

Ganz Himmel noch und Sonnenschein!

 

Du ruhst in deinem Kämmerlein

Bei zauberhellem Mondesprangen –

Ein Schatten möchte dich umfangen,

Und Du? Du schlummerst selig ein.

 

Noch kennst du sie nicht, die Dämonen,

Die voller heißer Leidenschaft

Auf dieser sünd’gen Erde wohnen.

 

Dein Antlitz leuchtet engelhaft –

Ach dürftest du im Himmel thronen,

Wo nie der Unschuld Reiz erschlafft!

 

 

 

Oscar Linke                           Lebensreigen

 

Du junge Schöne, tanze, tanze!

Laß von dem Strom der Melodien

Dich in ein Meer von Wonne zieh’n

Mit unermeßlich duft’gem Glanze.

 

Du trägst das Lebensbild, das ganze,

Noch in dir: Unverstandnes Fliehn

Und Nahn der Seele – Harmonie’n,

Sich einigend zu einem Kranze!

 

Das ganze Leben ist ein Reigen

Mit seinem unbewußten Drange

Umrauscht von Paukenschlag und Geigen.

 

Und in dem einen Lebensklange,

Bacchantisch fromm, vertönend schweigen

Muß jeder Mißklang, schrill und bange!

 

 

 

Oscar Linke                           Das Blumenbouquet

 

Die schönen Blumen! wirst du sagen,

Welche düftehauchendes Bouquet!

Dann stellst du sie auf’s Fensterbrett –

Die armen Blumen! muß ich klagen.

 

Und nimmer ahnst du, wie sie tragen

Ihr hold Geheimniß stumm und nett;

Wie liebenswürdig, fast kokett

Der stummen Blumen Herzen schlagen!

 

O wärest du Cirkassierin,

Du legest ihn so stumm nicht hin,

Wenn du den Blumenbrief empfangen!

 

Du sprächst mit glühend rothen Wangen:

„Schon liebt der arme Junge mich!“

Vielleicht noch seufzend: „Und ich dich!“ -

 

 

 

Oscar Linke                           Traumgedanken

 

Ich denke dein, mein süßes Kind,

Ich sehe dich in deinem Zimmer:

Des Mondes duft’ger Zauberschimmer

Durchs offne Fenster quellend rinnt.

 

Mit den Gardinen spielt der Wind.

Du schreckst erröthend auf O nimmer

Nah’ dir in lockendem Geflimmer

Ein böser Traum, scheuch’ ihn geschwind!

 

Doch huscht ein Traum in’s Fenster ein,

ein guter Traum, verjag’ ihn nicht,

Laß in dein Bettchen ihn hinein! –

 

Und küßt dich wach das Sonnenlicht,

Dann seufze: Ach ich war allein!

Und halte, was dein Herz verspricht.

 

 

 

Oscar Linke                           Die Hoffnung

 

Ich liebte manches schöne Kind,

Doch ach die Kinder wurden älter,

Die Glut erlosch, und kalt und kälter

Ward gegen sie mein Herz gesinnt.

 

Doch ging nicht Alles in den Wind.

Ein Liebchen wieget noch mein Zelter:

Die Hoffnung, meines Herzens Feldherr,

Noch manchen Sieg für mich gewinnt!

 

Und ewig bleibt die Hoffnung jung,

Sie trotzt der alten Mutter: Zeit,

Der Schwester selbst: Erinnerung!

 

Sie lächelt stets voll Seligkeit.

nichts macht sie klug. Trotz Wandelung

Der Zeit trägt sie ihr Kinderkleid.

 

 

 

Oscar Linke                           An ***

 

Ein Himmel voller Sonnenshein,

Ein Garten, drinnen Blumen sprießen,

Und mild den zarten Duft ergießen –

So sollte wahre Liebe sein.

 

Ein herzentzündend echter Wein,

Den lange Jahre nur versüßen –

So sollte Liebe uns begrüßen,

Noch stärker mit den Jahren sein.

 

O Frau! Ich denke wohl wie Sie,

So fühlt’ auch in Kindertagen

Des Lebens schönste Poesie!

 

Doch ward nicht Ihnen auch zerschlagen

Die schön geträumte Harmonie? –

Wir dürfen nur zu glauben wagen!

 

 

 

Oscar Linke                           Musik

 

Auf euren Wogen, Himmelsklänge,

Voll unsagbarer Harmonie,

Nur dort, nur dann vergess’ ich sie,

Des Lebens drückend schwere Enge.

 

Und sind es düst’re Schmerzgesänge,

Sind’s Lieder heller Harmonie –

Ihr seid der Seele Poesie

Und zeigt das Ziel der wirren Gänge.

 

Das Denken, ist es auch nur Träumen,

Wird mir so schwer, wird mir verhaßt,

Gleich einem Renner muß ich schäumen,

 

Den Schreck vor eig’nem Schatten faßt. –

Ihr hebt mich auf zu Himmelsräumen,

Und selbstvergessen find ich Rast.

 

 

 

Oscar Linke                           Weltregulator

 

Wie dunkel auch das Labyrinth,

Wie wirr und wunderbar die Gänge,

Wie unverstanden auch die Klänge,

In diesem Lebenstempel sind:

 

Es herrscht ein Etwas, welches spinnt

Jedwedem seines Wandels Länge –

Ein Leitseil, das er nie zersprenge,

Ob er auf tausend Listen sinnt.

 

Das ist der Trost im Menschenleben!

Denn wäre weltentbunden, frei

Der Erdentspross’nen blindes Streben,

 

Der Faden risse schnell entzwei:

Statt dunkeln Schicksals schweigend Weben

Schrie’ der Verzweiflung dumpfer Schrei!

 

 

 

Oscar Linke                           Trost

 

Das Leben ist ein Labyrinth,

Ich hab’ es einmal schon gesagt;

Ich hab’ es mehrmal schon beklagt:

Wir gleichen Blättern in dem Wind.

 

Doch ob wir auch untröstlich sind,

Daß nie das reine Licht uns tagt,

Uns doch bisweilen, oft behagt,

Daß Schönheit unser Sein umspinnt!

 

So bitter stechen auch die Leiden

Auf dieser dorn’gen Erdenbahn,

Die leider keiner kann vermeiden:

 

Der eine Trost, der doch kein Wahn,

Läßt dich in süßen Wonnen scheiden –

Die Schönheit hat dir wohl gethan!

 

 

 

Oscar Linke                           Schicksalsgefühl

 

O süß – in veilchenblauer Nacht,

Wann still die Sterne niederscheinen,

Wann Traum und Schlummer sich vereinen,

Besiegen sanft der Leiden Macht –

 

O süß, wann jetzt dein Herz erwacht!

Leidselig bist du, wenn dein Weinen

Nur keinen, arme Seele, keinen

Hat um den goldnen Schlaf gebracht!

 

Und an vergangnes Wonneglück

Denkst du in süßem Schmerz zurück,

An Zukunft, die dich nimmer schonet ...

 

In solchen Nächten fühlest du,

Wie, Wandrer, über dir in Ruh

Unwandelbar das Schicksal thronet!

 

 

 

Oscar Linke                           Ewige Erinnerungen

 

Wie Schmetterlinge flohn die Tage,

Wo wir uns Aug’ in Auge sahn,

Wo deines Kleides knistern Nahn

Mich zittern ließ – o Wonneplage!

 

Und ewig ich im Herzen trage

Den Nachts verträumten, schönen Wahn,

Als wehte mich dein Odem an,

Erglüht vom heißen Herzensschlage. –

 

Ich steh’ am Fenster. Sehe scheinen

Ach die Gestirne sanft und stille,

Ich könnte, doch ich will nicht weinen.

 

So tröstet sich mein stärk’rer Wille:

Ein ewig Glück umschmeichelt keinen,

O lebewohl, du Glücksidylle!

 

 

 

Oscar Linke                           Mais oú sont les neiges d’antan?

 

Die schönen Rosen sind verblüht

Gleichwie die erste Liebesluft,

Und leerer fühlet sich die Brust,

Zu Asche bald die Glut verglüht.

 

Das arme, menschliche Gemüth!

Das Wort, ach, daß du scheiden mußt

Von dem, was du dir lieb gewußt,

Nie wie der Rosen Duft versprüht!

 

Wohl! Auch im nächsten Lenz erwachen

Mit glühem Roth, reizvollem Lachen

Viel viele neue, and’re Rosen.

 

Doch and’re Rosen sind es eben.

Die süßen nicht mehr, die voll Leben

Wir schalkhaft durften einst umkosen.